Die Mitglieder der Basi, Bundesarbeitsgemeinschaft für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit, trafen sich jetzt in der Messe Düsseldorf zur Arbeitstagung. Pläne für den A+A Kongress 2025 wurden diskutiert, viele neue Ideen und Formate zum Thema Arbeitsschutz besprochen und ins Auge gefasst. Als Gast war Prof. Dr. rer. pol. Thomas Mühlbradt, Professor für Arbeits- und Ingenieurpsychologie an der FOM Hochschule für Oekonomie & Management in Aachen eingeladen. Sein Thema: Safety II – ein Ansatz für Sicherheit bei der Arbeit,  bei dem die Ursachen für die überwiegend positiven Behandlungsverläufe in den Vordergrund gestellt  werden. Experte Prof. Mühlbrath erläuterte die Entwicklung von Methoden, Theorien und Modellen seit 1900.

Ein zentraler Punkt des Vortrags war die Komplexität, die als Feind der Sicherheit betrachtet wird. Mühlbrath erklärte, dass Resilience Engineering (RE) an die Resilienz von Personen in Krisenzeiten angegliedert sei. RE ziele darauf ab, soziotechnische Systeme unter variablen Bedingungen erfolgreich zu machen und die Fähigkeiten zu stärken, dies zu erreichen. Er stellte wichtige Fragen wie: „Was macht ein soziotechnisches System resilient?“ oder „Wie werden wir in so einem System resilient?“ und erläuterte den Unterschied zwischen Safety I und Safety II: Während Safety I darauf abzielt, die Anzahl unerwünschter Ereignisse zu minimieren, strebt Safety II an, die Anzahl erfolgreicher Ergebnisse zu maximieren.

Ansätze des RE wie „work as imagined vs. work as done“ wurden diskutiert.Ein Beispiel aus dem Gesundheitsbereich verdeutlichte, wie der Prozess der Medikation bei der Entlassung von Patienten zwar in nationalen Richtlinien in den Niederlanden festgelegt ist, aber in der Realität oft anders aussieht.
Prof. Mühlbrath betonte, dass Sicherheit mehr sei als die Abwesenheit von Fehlern. Er stellte das Konzept des Safety II Debriefings vor, bei dem Aktionen analysiert werden, die geholfen haben und gefragt wird, was die Handelnden geleitet hat. Dies soll zur Handlungskompetenz beitragen und ein Umdenken bei den Akteuren fördern.

Im Anschluss an den Vortrag gab es eine lebhafte Diskussion mit dem Publikum. Allgemein zeigte man sich begeistert von der Idee, mehr auf das Gelingen als auf Fehler zu schauen – ähnlich wie bei der Salutogenese. Der Ansatz müsse lauten: Aus guten Ehen lernen, anstatt aus gescheiterten. Es gehe darum, zu fragen, was Partner in guten Ehen tun, um den Alltag zu meistern. Ergänzend kam das japanische Konzept „Gemba“ ins Gespräch, bei dem man sich vor Ort mit den Menschen unterhält, die bestimmte Prozesse jeden Tag durchlaufen. Prof. Mühlbrath betonte, dass Handlungskompetenz vor Ort notwendig sei. Er schloss mit dem Hinweis, dass im deutschsprachigen Raum noch Nachholbedarf in Wissenschaft und Transfer besteht. Resilience Engineering sei oft nicht bekannt, obwohl es Projekte und Feldversuche gebe. Er erwähnte die Öl- und Gasindustrie sowie die zivile Luftfahrt als Bereiche, in denen Safety II bereits Anwendung findet.

Voraussichtlich im August 2024 erscheint:
Mühlbradt / Schröder / Speer
Safety-II: Neue Wege zur Patientensicherheit
Strategien, Methoden und praktische Erfahrungen
Springer, 19,99 Euro