Die Basi im Dialog: „Arbeitsschutz und Normung – wie passt das zusammen?“

Wie ergänzen sich Arbeitsschutz und Normung aktiv in ihren Zielen? Welche Rolle spielen Normen im Arbeitsschutz? Diese und viele weitere Aspekte diskutierte Basi-Geschäftsführer Dr. Christian Felten mit den Expertinnen Dr. Bärbel Wernicke, Abteilungsleiterin „Leben und Umwelt“ im Deutschen Institut für Normung (DIN), und Angela Janowitz, Geschäftsführerin der Kommission Arbeitsschutz und Normung (KAN). Das DIN (Deutsches Institut für Normung) ist die unabhängige Plattform für Normung und Standardisierung in Deutschland und weltweit, während die KAN die die Arbeitsschutzexperten in den Normungsgremien unterstützt.

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Zahlreiche Teilnehmende brachten sich mit Fragen und mithilfe interaktiver Tools in das Gespräch ein. Da nicht alle über den Chat eingereichten Fragen während der Veranstaltung abgehandelt werden konnten, werden diese im Nachgang schriftlich beantwortet und demnächst hier zur Verfügung gestellt.

DIN:
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, sich über neue Normungsthemen zu informieren.
Die DIN-Webseite bietet einen guten Überblick über laufende Norm-Projekte, die unter den jeweils zuständigen Normenausschüssen aufgeführt werden.
Im DIN-Anzeiger als Teil der DIN-Mitteilungen werden alle neu registrierten Normungs- und Standardisierungsprojekte angekündigt.
Zu DIN SPEC Vorhaben werden die Geschäftspläne ebenfalls auf der DIN-Webseite veröffentlicht.
Der Normungs-Monitor kann verwendet werden, um sich über selbst festgelegte Suchbegriffe über dafür relevante Normen und Normungsvorhaben auf dem Laufenden zu halten.
Das Norm-Entwurfs-Portal macht aktuell in der Norm-Entwurfsumfrage befindliche Norm-Projekte öffentlich verfügbar und bietet die Möglichkeit zum Kommentieren.

DIN:
Nein. Es gilt das Delegationsprinzip, nach dem die nationalen Spiegelgremien für die Benennung der deutschen Delegationen für Technische Komitees bzw. deutschen Expert*innen für die Arbeitsgruppen zuständig sind.

DIN: Nach den Normungsregularien von DIN (insb. DIN 820-1 und Richtlinie der Normenausschüsse) müssen die interessierten Kreise in einem angemessenen Verhältnis zueinander vertreten sein. Zudem soll die Zusammensetzung der Arbeitsausschüsse den Besonderheiten des jeweiligen Arbeitsgebiets angemessen sein. Zudem werden Norm-Entwürfe zur Kommentierung durch die Öffentlichkeit bekannt gegeben. Jedermann ist berechtigt, Kommentare abzugeben und kann bei Nichtberücksichtigung durch den Arbeitsausschuss Schlichtung und Schiedsverfahren beantragen.

DIN:
Normen entwickeln diejenigen, die sie später anwenden. Damit der Markt die Normen akzeptiert, sind eine breite Beteiligung, Transparenz und Konsens Grundprinzipien bei DIN. DIN achtet darauf, dass keine Doppelnormung erfolgt. Das gleiche gilt für CEN. Ziel ist es, dass keine sich widersprechenden Normen erarbeitet werden. Zudem kann durch die Einführung von gemeinsamen Europäischen und Internationalen Normen die Zahl der unterschiedlichen nationalen Normen reduziert und somit die Regelwerke verschlankt werden. Außerdem werden die bestehenden Normen turnusmäßig durch die verantwortlichen Gremien überprüft, um sicherzustellen, dass diese weiterhin benötigt werden.

DIN:
Es gibt verschiedene Wege Expert*innen für eine Mitarbeit in der Normung zu motivieren und neue hinzuzugewinnen. Dies erfolgt zum einen über die bekannten Wege einer Akquise (z. B. gezielte Ansprache von Expert*innen, Ankündigungen neuer Normungsvorhaben, Messebesuche, Fachvorträge). Zudem werden mit Hilfe von Normungsroadmaps übergreifende Themen beleuchtet und Normungsbedarfe identifiziert. Die Mitarbeit zu diesen Normungsroadmaps ist kostenfrei. Die an der Erarbeitung der Normungsroadmaps beteiligten Expert*innen können in die Normungsgremien übergehen und sich dort aktiv an der Erarbeitung von Normen beteiligen.

KAN:
Die Zugriffszahlen auf die Normenrecherche Arbeitsschutz (NoRA) haben in den letzten Jahren stetig abgenommen. Zudem gibt es inzwischen viele Möglichkeiten auch arbeitsschutzrelevante Normen kostenfrei im Internet zu recherchieren. Diese beiden Entwicklungen haben zur Abschaltung der zudem kostenintensiven Recherchetools NoRA geführt. Weiterhelfen könnte Ihnen die Zusammenstellung der KAN zu Recherchemöglichkeiten und Tipps für die erfolgreiche Suche nach Normen. Diese finden Sie unter: www.kan.de/normung/normenrecherche

DIN:
Bei DIN gibt es seit Anfang 2024 den Normungs-Monitor, der eine stichwortspezifische Suche ermöglicht und über Entwicklungen zu Normen informiert. Zudem ermöglicht die DIN-Webseite eine Suche nach Stichworten. Das gleiche gilt für Nautos, die Normenbibliothek bzw. Normungs-Management-Lösung von DIN Media.

DIN:
Die Freiwilligkeit der Anwendung von Normen wird von deren Vermutungswirkung nicht tangiert. Hier ist zwischen Vermutungswirkung von nichtharmonisierten und harmonisierten Normen zu unterscheiden. Bei den erstgenannten gibt es eine durch die Rechtsprechung bestätigte tatsächliche Vermutung, dass wenn jemand nach Vorgaben einer Norm handelt, er die allgemein anerkannten Regeln der Technik einhält und somit seiner Sorgfaltspflicht oder vertraglichen Pflicht nachkommt. Die Vermutungswirkung von harmonisierten Normen bedeutet dagegen, dass ein nach einer solchen Norm erstelltes Produkt die Vorgaben der zugrunde liegenden EU-Richtlinie entspricht.
KAN:
Das Thema Barrierefreiheit ist wichtig, da sich die EU-Mitgliedsstaaten auf die Umsetzung des Europäischen Barrierefreiheitsgesetzes vorbereiten. Die darin festgelegten verbindlichen Zugänglichkeitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen müssen ab Juni 2025 erfüllt werden.

In Baunormen, wo es um die Gestaltung von Gebäuden, Einrichtungen, aber z. B. auch Spielplätzen geht, wird der Aspekt der Barrierefreiheit berücksichtigt. Bei Themen der Ergonomie gibt es einen DIN-Arbeitsausschuss „Grundlagen zur barrierefreien Gestaltung/Accessibility“. Dieser befasst sich mit allen Aspekten des Designs von Produkten und Dienstleistungen unter Berücksichtigung der Bedürfnisse von Menschen mit Einschränkungen. In den relevanten Gremien arbeiten Vertreter und Vertreterinnen dieser Personengruppe mit, sodass ihre Interessen eingebracht werden.

Wer Normen in seinem täglichen Arbeitsleben anwendet, profitiert von einer Reihe von wirtschaftlichen Vorteilen:

  • erleichterter Marktzugang – national, europa- und weltweit,
  • vereinfachte Angebots- und Ausschreibungspraxis,
  • Effizienzsteigerung,
  • Stand der Technik/Innovation,
  • erleichterte Dokumentation der Qualitätssicherung,
  • Senkung des Produkthaftungsrisikos,
  • verbesserte Produktsicherheit,
  • Rechtssicherheit.

Normen beinhalten das gebündelte Wissen aller am Markt teilnehmenden Partner und werden in einem fairen, durch DIN moderierten Entwicklungsprozess erarbeitet.
Die Anwender sorgen durch den Kauf von Normen dafür, dass die privatwirtschaftliche Organisation der Normungsarbeit erhalten bleibt. Die Arbeit von DIN wird zu rund 59 Prozent durch den Verkauf von Normen und Mitgliedsbeiträge finanziert. Sie umfasst – neben der Erarbeitung der Normtexte – die Gewährleistung eines überschneidungsfreien Normenwerkes in seiner Gesamtheit, die Harmonisierung mit den Europäischen und Internationalen Normen sowie die ständige Überprüfung der Normen auf Übereinstimmung mit dem aktuellen Stand der technisch-wissenschaftlichen Entwicklung.
Die Kosten für die Erarbeitung werden also auf die Anwender verteilt, die durch die Anwendung einen Nutzen aus Normen ziehen. Die Wirtschaft regelt somit selbst, welche Normen marktgerecht sind – ein faires Vorgehen.

Nein. Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache C-588/21 P verpflichtet die Europäische Kommission dazu, bestimmte Texte harmonisierter Europäischer Normen gemäß der Verordnung 1049/2001 zugänglich zu machen. Das Urteil stellt weder den urheberrechtlichen Schutz dieser Normen in Frage, noch verpflichtet es die Normungsorganisationen dazu, diese Normen oder deren nationale Übernahme kostenfrei zu veröffentlichen. Die Normungsorganisationen arbeiten weiterhin eng mit der Europäischen Kommission und allen relevanten Interessengruppen zusammen, um zu einer sinnvollen Lösung zu kommen. Weitere Informationen können Sie gerne der Mitteilung von DIN e. V. entnehmen, die Sie hier abrufen können: www.din.de/de/din-und-seine-partner/presse/mitteilungen/urheberrechtliche-schutz-der-harmonisierten-normen-1042244

KAN:
Die Anzahl internationaler Normen und Normvorhaben steigt immer weiter an. Insgesamt kann man eine Verlagerung der Normungsarbeit auf die internationale Ebene feststellen. Trotzdem sind auch europäische Experten an dieser Arbeit intensiv beteiligt.

Mit Bezug auf den Arbeitsschutz sind Dinge, die nun international genormt werden, in Europa bereits durch das ausgeprägte Arbeitsschutzregelwerk abgedeckt. Viele Entwicklungs- und Schwellenländer haben hier jedoch einen niedrigschwelligen Bedarf, um dort ein gewisses Maß an Arbeitsschutz etablieren zu können.

Es bedarf der aktiven Beteiligung von Experten auf der europäischen Ebene, um zu beurteilen, welche der Normvorhaben benötigt werden. Zum Arbeitsschutzregelwerk widersprüchliche internationale Normen sollten keinesfalls europäisch oder national übernommen werden, da hierdurch die Anwender der Normen stark verunsichert werden.

Es ist zu bedenken, dass die Zahl der Arbeitsschutzexperten nicht im gleichen Maße wie die Zahl der arbeitsschutzrelevanten internationalen Normvorhaben mit ansteigen wird.

Basi:
Zusammenarbeit und Vernetzung: Die Basi fördert den gegenseitigen Austausch von Anliegen und Informationen der Unfallversicherungsträger und ihrer anderen Mitglieder, um die Prävention und den Arbeitsschutz zu stärken. Dafür arbeitet sie in verschiedenen Gremien der DGUV mit und bildet eine Gesprächsplattform für neue Entwicklungen und Themen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes. Die Basi initiiert Foren zum Meinungsaustausch von Arbeitsschutzinstitutionen, sie fördert die Anliegen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes in der Öffentlichkeit, im politischen Raum und in angrenzenden Themenfeldern. Dabei werden auch regionale Aktivitäten der Unfallversicherungen unterstützt, ebenso der internationale Erfahrungsaustausch.

Mit dem „kleinen Vetorecht“ ist hier das geschlossene Votum gemeint. Das geschlossene Votum wird im Präsidialbeschluss 08/2020 genauer beschrieben und gilt nur für europäische oder internationale Normungsarbeiten:
Ist in einem Arbeitsgremium eine Abstimmung (Vorschlag für ein neues Normungsvorhaben, Entwurf und Norm) erforderlich, kann gegen das geschlossene Votum eines an diesem Schutzziel wesentlich interessierten Kreises (Arbeits-, Umwelt-, Gesundheits- oder Verbraucherschutz, Bauwerkssicherheit) keine Entscheidung getroffen werden (als nationales Votum ist also nur Enthaltung oder Ablehnung möglich). Die KAN konsolidiert in solchen Fällen das geschlossene Votum der Arbeitsschutzkreise.
Damit das geschlossene Votum gezogen werden kann, müssen einige Voraussetzungen erfüllt sein, diese werden in dem Präsidialbeschluss genauer beschrieben.

DIN:
DIN EN 17932 „Erdgasfahrzeuge – Anforderungen an Werkstätten und das Management von mit LNG betriebenen Fahrzeugen“ enthält Anforderungen zum Betrieb von Fahrzeugen, die verflüssigtes Erdgas (LNG) als Kraftstoff für den Antrieb verwenden, und behandelt hierbei verschiedene Aspekte einschließlich Tätigkeiten, Risikomanagement, Planung, Personal, Aufbau, Systeme sowie Betrieb von Werkstätten für LNG-Fahrzeuge. Es enthält Anforderungen an die Handhabung von LNG-Fahrzeugen, einschließlich Gebrauch, Parken, Betankung für die Inbetriebnahme, Inspektion, Installation, Reparatur und Wartung, Entsorgung, Transport und Dokumentation. Dieses Dokument gilt für die Handhabung von LNG-Fahrzeugen. Das zuständige nationale Normungsgremium ist der Arbeitsausschuss
NA 032-03-07 AA „Gasversorgung für erdgasbetriebene Fahrzeuge“ im DIN-Normenausschuss Gastechnik (NAGas). Dieser kann bei Fragen zur Norm kontaktiert werden.

KAN:
Alle Dienstleistungsnormen, die sich darauf beschränken, nur die reinen Anforderungen an die Qualität der erbrachten Dienstleistung festzulegen, berühren in der Regel Fragen des Arbeitsschutzes nicht.

DIN:
Mitarbeitende in Normungsgremien werden nicht namentlich benannt. Sie werden über eine Stelle (Unternehmen, Verband, Behörde, etc.) autorisiert und vertreten im Normungsgremium die Meinungen der autorisierenden Stelle, die nicht unbedingt auch die persönliche Meinung der Expert*innen sein muss. Das Ergebnis der Normungsarbeit ist eine im Konsens erarbeitete Norm. Nach den Regularien zur Normung sollen alle an dem jeweiligen Normungsthema interessierten Kreise in die Normungsarbeit eingebunden sein. Damit ist die Norm nicht Ergebnis einer Übereinkunft von einzelnen Expert*innen, sondern ist vielmehr als das gebündelte Wissen aller am Markt teilnehmenden Partner zu verstehen.
DIN:
Wir passen unser derzeitiges Finanzierungsmodell auf der Grundlage des Beschlusses 17/2023 vom DIN-Präsidium an.
Wissen Sie, wie Normungsarbeit und Arbeitsschutz zusammenwirken?
Was meinen Sie - in welchen Normungsbereichen sind keine Arbeitsschutzvorgaben enthalten?
Wo sehen Sie in Zukunft großen Bedarf an Normung, um Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit zu unterstützen?
Dr. Bärbel Wernicke, Angela Janowitz, Dr. Christian Felten

© KAN
v. l. n. r. Dr. Bärbel Wernicke (DIN),  Angela Janowitz (KAN), Dr. Christian Felten (Basi)